Streit um Erkundungsbohrungen im Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet  Gipskarstlandschaft bei Questenberg

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 14.02.2025

Am 17.02.2025 gab das OVG Magdeburg eine Pressemitteilung zum Beschluss des OVG vom 14.02.2025 zu der Klage des BUND gegen die genehmigten und teilweise durchgeführten Bohrungen im Schutzgebiet Gipskarst bei Questenberg heraus.

 

Zur Pressemitteilung (Wechsel zur Internetseite des OVG) 

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus dem Beschluss des OVG vom 14.02.2025 aus Sicht des NABU-Kreisverbandes Mansfeld-Südharz e.V.?

Soweit es um Rohstoffsuche eines Investors geht, greift insbesondere im FFH-Schutzgebiet immer das vollständige FFH-Recht nach FFH-Richtlinie in Verbindung mit § 34 BNatSchG - Bundesnaturschutzgesetz. Maßstab sind damit die Vorgaben zum Bundesverwaltungsgerichts(BVerwG)-Urteil zur A143 aus dem Jahre 2007 (BVerwG 9 A 20.05)!

 

Damit wäre vor einer beabsichtigten Bohrmaßnahme im FFH-Gebiet erforderlich gewesen, u.a. die Risiken für jede ev. vorkommende Fledermausart hinsichtlich der Populationsentwicklung zu untersuchen. Störungen der Winterruhe der Fledermäuse sind außerdem dort gesetzlich verboten, auch wenn auf Grund der Habitatsituation im Karst das Vorkommen nur vermutet werden kann. Die rechtlichen Vorgaben für eine vollständige FFH-Verträglichkeitsprüfung sind umfassend umzusetzen.

 

Eine Begründung der Maßnahme für Abbau und damit auch für die vorherigen Aufsuchungen aus rein wirtschaftlichen Erwägungen ist nach Auffassung des OVG kaum durchsetzbar, da diese Interessen nachrangig gegenüber den Schutzzielen des FFH-Gebietes (Naturerhalt vor wirtschaftlichen Interessen) sind. Eine Änderung der Rangfolge wäre zwar nicht unmöglich, müsste jedoch in einem umfassend durchgeführten Abwägungsverfahren im Rahmen der Aufstellung des Landesentwicklungsplanes bzw. Regionalentwicklungsplanes begründet und beschlossen werden.  

 

Mit der vom OVG dargestellten sehr geringen Aussicht auf eine Entnahme von Rohstoffen aus den Schutzgebieten stellt sich aktuell die grundsätzliche Frage nach dem Sinn solcher Bohrungen im Schutzgebiet.

 

Auch die neuesten Anmerkungen der Kreisverwaltung Mansfeld-Südharz, dass doch gemäß dem Beschluss des OVG kleinräumige Bohrungen dennoch möglich sind, hinterlässt viele Fragen. Denn bisher ging es bezüglich der Begründungen der Bohrungen auch darum, die Wirtschaftlichkeit eines Abbaus zu hinterfragen. Solche Wirtschaftlichkeitserwägungen deuten jedoch eher auf Interesse an einer großräumigen Entnahme hin?

 

 

Ergänzend ist wiederholend darauf hinzuweisen, dass dies alles auch im Gebiet des angestrebten Biosphärenreservats Karstlandschaft Südharz stattfinden soll! Die Zielstellung der Anerkennung als UNESCO-Biosphärenreservat würde mit solchen Planungen zu Abbauaktivitäten vermutlich eher behindert, wenn nicht sogar verhindert. Auch dies müsste in einem solchen Abwägungsverfahren zur Raumordnung für die Region entsprechend Beachtung finden. Schließlich geht es um nachhaltiges Wirtschaften zukünftiger Generationen im Gebiet statt einer schnellen und einmaligen Entnahme von Gips und Zerstörung von wertvollen Landschaftsbestandteilen! 

Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle vom 23.01.2025

Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtes:

 

Der BUND suchte mit dem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht die Probebohrungen zu verhindern. Der Antrag hatte Erfolg, soweit sich der Antragsteller gegen die naturschutzrechtliche Genehmigung nach der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Harz und südliches Harzvorland“ wendete. Das Gericht hat insofern beanstandet, dass das Bohrvorhaben gegen verschiedene ausdrückliche Verbote der Schutzgebietsverordnung verstoße, von denen der Landkreis das Unternehmen nicht befreit habe. Daher sei die für die Genehmigungserteilung notwendige Feststellung, das Vorhaben beeinträchtige weder den Charakter des Landschaftsschutzgebiets noch dessen besonderen Schutzzweck, nicht möglich.

 

Dagegen hatte der Antrag keinen Erfolg, soweit sich der BUND gegen die Befreiung von verschiedenen Verboten der Naturschutzgebietsverordnung „Gipskarstlandschaft Questenberg“ richtete. Entgegen der Auffassung des Antragstellers befand das Gericht, dass der Antragsteller in hinreichendem Umfang an dem behördlichen Verfahren beteiligt worden ist und auch die Einschätzung des Landkreises, die Erkundungsbohrungen könnten nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets „Buntsandstein- und Gipskarstlandschaft bei Questenberg im Südharz“ in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen, rechtmäßig sei. Schließlich liege auch ein die Befreiung von den Verboten rechtfertigendes überwiegendes öffentliches Interesse an den Probebohrungen vor. Denn die Erkundung von Gipsvorkommen sei notwendig, um im Rahmen der aktuellen Raumordnungsplanung aufgrund umfangreicher Informationen sachgerechte Entscheidungen zur Sicherstellung einer zukunftsorientierten Versorgung mit heimischen Rohstoffen treffen zu können. Nach dem Rohstoffsicherungskonzept für Bodenschätze Sachsen-Anhalt entstehe mit der Energiewende und dem geplanten Aus für die Braunkohlenverstromung ein deutliches Defizit von jährlich rund 5 Mio. t an Gipsrohstoffen, wobei die Versorgungslücke nach aktuellem Stand kurzfristig nur durch einen Gipsimport und mittelfristig durch eine massive Ausweitung der einheimischen Gipsgewinnung geschlossen werden könne.

 

Der Beschluss ist anfechtbar.

 

 

VG Halle, Beschluss vom 23. Januar 2025 – 4 B 308/24 HAL -

Quelle: VG Halle 

 

 

NABU MSH unterstützt die Aktivitäten der Bürgerinitiative, des BUND und des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder

Mit diesem Beschluss können die Bohrungen nicht direkt weitergeführt werden, da die Ausnahmegenehmigung gem. der Landschaftsgebietsverordnung nach Prüfung der Voraussetzungen noch zu erteilen wäre. Allerdings ist die am 9. Dez. 2024 erteilte Genehmigung für die 7 Bohrungen befristet maximal bis zum 28.02.2025. Danach gelten u.a. verschärfte Schutzstandards gem. Bundesnaturschutzrecht.

 

Der NABU MSH sieht es jedoch als Novum, dass gezielte Aufsuchungen von Bodenschätzen in Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten (auch FFH-Gebiet) auf dem bisher durchgeführtem Verfahrensweg offenbar vom erkennenden Gericht direkt akzeptiert wurde. Schließlich wurde bisher noch keine Alternativbetrachtung angestellt oder auch nur gefordert.

 

Die dargestellte Sachlage, dass zukünftig bis zu 5 Mio. t Gipsrohstoff wegen dem Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038  in der Materialbilanz fehlen werden, ist zwar rechnerisch leicht nachzuvollziehen. Allerdings wird dabei auch angenommen, dass sich der Bedarf weder durch veränderte Technologien (z.B. im Mengeneinsatz je Produkteinheit) oder durch andere eingesetzte Materialien wie Lehm oder Naturfasern aus Stroh oder Hanf (mit oft besseren Isolationsparametern) am Markt verändert oder gezielt umgesteuert werden kann.

 

Am Ende steht eines fest: Gips als Rohstoff bzw. als verarbeitetes Produkt kann nur einmal abgebaut werden. Dann sind die Lagerstätten vor allem oberflächennah, wie im Regelfall aktuell beabsichtigt, ausgebeutet. 

 

Gips bzw. Anhydrid im Boden kann noch viele Generationen der Natur und den Menschen vor Ort wie Erholungssuchenden aus Nah und Fern dienen. Auch  Tiere und Pflanzen können sich in großer Vielfalt entwickeln. 

Wenn alles ausgebaggert ist (wie z.B. in Thüringen und Niedersachsen zu besichtigen), bleibt im Vergleich maximal ein artenarmer Mischwald übrig, der mit einem Karstgebiet nicht zu vergleichen wäre!! Und der auch nur, wenn die Renaturierung gut gemacht wird.

 

Deshalb gebietet es der Schutz von Natur und damit auch der Lebensgrundlagen vieler Menschen, Schutzgebiete vor Raubbau für Rohstoffe zu schützen und nicht schnellen politischen Ideen und wirtschaftlichen Interessen wertvolles Naturinventar zu opfern. Und das alles noch in einem Verfahren mit Sofortvollzug. Dem Gegenteil von Öffentlichkeit und Transparenz bei solch einer wichtigen Entscheidung für die Region.  

 

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